Dienstag, 30. Juni 2015

Cicerone Monatsprogramm: Juni

Büyükçekmece: Ein Kleinod der Architektur

Der Wettergott meinte es im Juni nicht gut mit Cicerone. Nachdem der Sommer viel zu früh gekommen zu sein schien, war es dann doch nicht so. Cicerone hatte Gäste für eine kulissenschöne Aufführung der "Entführung aus dem Serail". Veranstaltungsort wäre der Garten des Archäologischen Museums gewesen. Es gab aber im Vorfeld mehrere regnerische Tage, so dass das Ensemble nicht einmal proben konnte. Folge davon war eine traurige Absage.




Bei Cicerone gibt es immer einen "Plan B". Wir haben in dem schönen Hocapaşa Kulturzentrum eine Veranstaltung der "Tanzenden Derwische" besucht. Rumi statt Mozart!



Am 20. Juni gab es einen Tagesausflug nach Büyükçekmece, wo sonst kein Tourist hinkommt. Am gleichnamigen See ist ein großartiges Werk von Sinan, eine lange Brücke aus dem 16. Jh. An Stelle einer älteren Römerbrücke, die wohl den Fluten nicht länger Widerstand halten konnte, baute der Hofarchitekt Sinan eine geniale "vieläugige" Brücke. Als Sultan Süleyman I. sich mit seinem Heer nach Zsigetvàr auf den Weg machte, bekam der Architekt schon den Auftrag, denn die alte Brücke war schon am Zusammenkrachen.



Erst hat Sinan an beiden Seiten provisorische Dämme errichtet, um das Wasser im Baugelände herauszupumpen. Dafür mußte er das Wasserniveau genau kennen, denn die Lagune wird sowohl von kleinen Bächen gespeist, als auch vom Marmara-Meer aus geflutet. Der Boden besteht aus Schlamm, Also mußte Sinan verkohlte Eichenstämme als Pfähle in den Boden rammen. Den steinernen Aufbau setzte er auf verbleite Eisenarmierung. Die vier "Sattel" der Brücke mußten eine logische Neigung für Schwertransporte haben. Die "Augen", die Durchlässe also, mußten in der Anzahl und in der Größe den Wasserbewegungen entsprechen.

Nach zwei Jahren kehrte das osmanische Heer erfolgreich zurück. Die Brücke war fertig. Sinan war gerade dabei seine Inschrift, seine Signatur am Westende seines Werkes eigenhändig zu meisseln, als die kriegsmüde Armee darüber marschierte. Sinan brach in Tränen aus. Sultan Süleyman, der Prächtige, war in einer Kutsche, konnte aber die fertiggebaute Brücke nicht mehr sehen. Er war tot. Während der Belagerung von Zsigetvàr wurde der Tod des Herrschers geheimgehalten, um das Heer nicht zu demotivieren. In der Kutsche war Leichnam des am längsten regierenden Sultans. Sinan warf feuchte Blicke hinterher.




Fast 450 Jahre mußten vergehen, bis ein anderer Stararchitekt der Türkei hier seine Spuren hinterläßt: Emre Arolat mit seiner Sancaklar-Moschee, ein Nimmersatt an Architektur-Preisen. Stifter sind die politisch umstrittene Sancak-Familie und der Sancak-Konzern. Doch widmen wir uns lieber dem Werk und dem Architekten. Für Emre Arolat (Jahrgang 1963) ist diese Moschee wirtschaftlich gesehen ein kleines Projekt gewesen. Aber sie war eine Herausforderung, da es sich um einen Sakralbau handelte. 





Am abschüssigen Gelände in die Erde gebaut, ist diese Moschee auch mit den verwendeten minimalistischen Linien und Materialien ein sehenswertes Stück Architektur. Das Wechselspiel von Tages- und Kunstlicht, sowie die schlichte Inneneinrichtung mit vielen anderen durchdachten Einzelheiten verleihen der avantgardistischen Moschee einen unerwartet sinnlichen Charakter, so daß man sich wieder einmal davon überzeugen kann, daß - wie alles im Leben - auch Architektur eine Philosophie hat.






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