Donnerstag, 23. Juli 2015

Neue Adresse!

Liebe Leser des Cicerone-Blogs,


ab heute ist mein Blog in meine Web-Seite integriert und ist unter der Adresse

www.istanbul-cicerone.com

zu erreichen.

Und das alles im neuen Gewand!

Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen

Halûk Uluhan
Istanbul-Cicerone

Dienstag, 14. Juli 2015

Cicerone Monatsprogramm: Juli

Ramadan in Istanbul


Der islamische Fastenmonat Ramadan (Ramazan) fällt seit fast einer Dekade auf die Sommermonate. Wenn man das gregorianische Kalendersystem als Referenz nimmt, "bewegt" sich das islamische Mondjahr mit seinen 354 Tagen jedes Jahr um 11 Tage nach "vorne". Vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang nichts essen, nichts trinken und nicht rauchen ist das Gebot. Eine große Herausforderung für die Menschen ist nichts zu trinken - gerade an heissen und langen Sommertagen der nördlichen Weltkugel.


Das Fastenbrechen mit dem Sonnenuntergang ist eine sehr ruhige Zeit in der sonst so unruhigen Stadt. Die Straßen sind leergefegt.



Diese Mahlzeit heißt Iftar. Kurz zuvor holen sich die Leute ihr frisches Pide-Brot. Dieses - von mir ungern als Fladenbrot übersetzte - "Ramazan Pidesi" gibt es eben nur im Monat Ramadan. Kurz vor Sonnenuntergang stehen viele Menschen vor Bäckereien deswegen an, und es breitet sich der Duft des frisch gebackenen Brotes. Iftar ist zur Zeit in Istanbul ca. um 20.45 Uhr.

Das Iftar-Essen nach Möglichkeit in Gesellschaft zu sich zu nehmen gilt als besonders fromm. Menschen aus isolierter Einsamkeit herauszuholen und ihnen Geselligkeit zu bieten ist etwas Gutes - insbesondere armen Menschen ohne Angehörige.




Daher veranstalten Kommunen, Firmen, wohlhabende und populäre Personen gemeinsame Iftar-Feste, wie hier in Üsküdar in einem der "Iftar-Zelte". Das hat natürlich heutzutage mit der ursprünglichen Begründung nichts mehr zu tun.


Iftar-Präsidialparty

Seit "Gezi" 2013 üblich: "Erdboden-Iftar" des oppositionellen Volkes. Mit Polizei.






Alte Tradition ist auch der Kanonenschuß, der die Menschen auf die Iftar-Zeit aufmerksam macht. "Ist die Kanone schon abgefeuert?" fragen sich die Einheimischen unterwegs.



Mit der Dämmerung gehen die Lichter an. Imperialmoscheen, also, die von Sultanen oder von Angehörigen der Sultansfamilie gestiftete Moscheen, haben zwischen die Minaretts gespannte Lichterketten, deren Lämpchen immer einen frommen Text ergeben. Imperialmoscheen haben ja mindestens zwei Minaretts.


"Durch Güte lebt der Mensch"



Ein besonderes Ritualgebet im Ramadan ist der "Teravih". Jeden Tag nach dem Nachtgebet (zur Zeit in Istanbul ca. um 22.30 Uhr) finden in den Moscheen diese Gebete statt. Als empfohlen gilt es, die Teravih-Gebete gemeinsam in der Moschee zu verrichten. Über die täglichen Gebetseinheiten wird innerhalb des Monats Ramadan der gesamte Koran melodisch rezitiert, so daß jedem Muslim es möglich ist, den kompletten Koran innerhalb Ramadans zu hören.



Eine Sitte ist es auch, die Teravih-Gebete jeden Abend in einer anderen Moschee zu verrichten. Das dient möglicherweise sozialer Annäherung von Menschen aus anderen Stadtteilen. Es mag sein, daß es früher der Verdauung nach dem Iftar gedient haben mag, als man noch zu Fuß unterwegs war. In automobilen Zeiten sorgt die Sitte eher fürs Verkehrschaos zur späten Stunde in der Stadt.

Vor dem Sonnenaufgang kann man noch mal aufstehen und eine Kleinigkeit essen, um den Hunger tagsüber eher auszuhalten. Diese Mahlzeit heißt Sahur.


Als man keine Schweizeruhren und Wecker kannte, wurde man in den Städten durch Straßentrommler geweckt, damit man diese Mahlzeit nicht verpaßt. Diese verlorengegangengeglaubte Tradition ist wieder wach - und trommelt auch wach. Am Ende des Ramadan klingelt der Stadtteiltrommler - ein Selbsternannter - an den Türen für einen Obulus.

Die praktizierenden Muslime fangen mit einem neuen Fastentag an. Die anderen? Wenn sie nicht mehr schlafen können, setzen sie sich an die Tastatur und verfassen Texte über "Ramadan in Istanbul".  

Dienstag, 30. Juni 2015

Cicerone Monatsprogramm: Juni

Büyükçekmece: Ein Kleinod der Architektur

Der Wettergott meinte es im Juni nicht gut mit Cicerone. Nachdem der Sommer viel zu früh gekommen zu sein schien, war es dann doch nicht so. Cicerone hatte Gäste für eine kulissenschöne Aufführung der "Entführung aus dem Serail". Veranstaltungsort wäre der Garten des Archäologischen Museums gewesen. Es gab aber im Vorfeld mehrere regnerische Tage, so dass das Ensemble nicht einmal proben konnte. Folge davon war eine traurige Absage.




Bei Cicerone gibt es immer einen "Plan B". Wir haben in dem schönen Hocapaşa Kulturzentrum eine Veranstaltung der "Tanzenden Derwische" besucht. Rumi statt Mozart!



Am 20. Juni gab es einen Tagesausflug nach Büyükçekmece, wo sonst kein Tourist hinkommt. Am gleichnamigen See ist ein großartiges Werk von Sinan, eine lange Brücke aus dem 16. Jh. An Stelle einer älteren Römerbrücke, die wohl den Fluten nicht länger Widerstand halten konnte, baute der Hofarchitekt Sinan eine geniale "vieläugige" Brücke. Als Sultan Süleyman I. sich mit seinem Heer nach Zsigetvàr auf den Weg machte, bekam der Architekt schon den Auftrag, denn die alte Brücke war schon am Zusammenkrachen.



Erst hat Sinan an beiden Seiten provisorische Dämme errichtet, um das Wasser im Baugelände herauszupumpen. Dafür mußte er das Wasserniveau genau kennen, denn die Lagune wird sowohl von kleinen Bächen gespeist, als auch vom Marmara-Meer aus geflutet. Der Boden besteht aus Schlamm, Also mußte Sinan verkohlte Eichenstämme als Pfähle in den Boden rammen. Den steinernen Aufbau setzte er auf verbleite Eisenarmierung. Die vier "Sattel" der Brücke mußten eine logische Neigung für Schwertransporte haben. Die "Augen", die Durchlässe also, mußten in der Anzahl und in der Größe den Wasserbewegungen entsprechen.

Nach zwei Jahren kehrte das osmanische Heer erfolgreich zurück. Die Brücke war fertig. Sinan war gerade dabei seine Inschrift, seine Signatur am Westende seines Werkes eigenhändig zu meisseln, als die kriegsmüde Armee darüber marschierte. Sinan brach in Tränen aus. Sultan Süleyman, der Prächtige, war in einer Kutsche, konnte aber die fertiggebaute Brücke nicht mehr sehen. Er war tot. Während der Belagerung von Zsigetvàr wurde der Tod des Herrschers geheimgehalten, um das Heer nicht zu demotivieren. In der Kutsche war Leichnam des am längsten regierenden Sultans. Sinan warf feuchte Blicke hinterher.




Fast 450 Jahre mußten vergehen, bis ein anderer Stararchitekt der Türkei hier seine Spuren hinterläßt: Emre Arolat mit seiner Sancaklar-Moschee, ein Nimmersatt an Architektur-Preisen. Stifter sind die politisch umstrittene Sancak-Familie und der Sancak-Konzern. Doch widmen wir uns lieber dem Werk und dem Architekten. Für Emre Arolat (Jahrgang 1963) ist diese Moschee wirtschaftlich gesehen ein kleines Projekt gewesen. Aber sie war eine Herausforderung, da es sich um einen Sakralbau handelte. 





Am abschüssigen Gelände in die Erde gebaut, ist diese Moschee auch mit den verwendeten minimalistischen Linien und Materialien ein sehenswertes Stück Architektur. Das Wechselspiel von Tages- und Kunstlicht, sowie die schlichte Inneneinrichtung mit vielen anderen durchdachten Einzelheiten verleihen der avantgardistischen Moschee einen unerwartet sinnlichen Charakter, so daß man sich wieder einmal davon überzeugen kann, daß - wie alles im Leben - auch Architektur eine Philosophie hat.






Donnerstag, 14. Mai 2015

Russische Kirchen in Karaköy


Der Russe auf dem Dach!

Heute wird "der Russe" als Tourist in der Türkei zweierlei wahrgenommen. Entweder sind es kleine Geschäftsleute, die in Istanbul vor allem im Stadtteil Laleli hauptsächlich Klamotten minderer Qualität einkaufen, um sie zu Hause zu verkaufen. Oder es handelt sich um laute Touristen in den Urlaubsfabriken von Antalya, die sich am Buffet nicht zu benehmen wissen. Beides Klischees natürlich.
Gehen wir in unseren Gedanken einige Jahrhunderte zurück. Das Ökumenische Patriarchat von Phanar (Fener) am Goldenen Horn ist Zentrum des orthodoxen Christentums. Angehörige anderer orthodoxen Kirchen (Russen, Bulgaren, Ägypter, Palästinenser, ...) reisten nach oder durch Konstantinopel, z.B. unterwegs nach Jerusalem oder nach Berg Athos (Türkisch: Aynaroz); es gab kirchliche Treffen usw. Also hatten all die Orthodoxen der alten Welt hier ihre Vertretungen mit eigener Kirche und Herbergen, die so genannten Metohien (Metohion, heisst etwa Tochterhaus).
Während fast alle anderen ihre "Tochterhäuser" am Goldenen Horn - Nähe Ökumenisches Patriarchat - hatten, blieb wohl den Russen der Galata-Hafen übrig. Aber alle haben Ufernähe vorgezogen, da die Schifffahrt die schnellste und die sicherste Art des Reisens war, die man am ehesten bevorzugt hatte.
Russische Pilgerer oder Kirchenvertreter wohnten in den Herbergen hier in Karaköy. Sie bauten auf dem jeweiligen Dachgeschoss ihre Kirchen. Vier solche Dachkirchen gibt es hier. 
Wenn man von der Schule St. Benoît aus auf die andere Straßenseite geht und sich einfach durch eine der engen Gassen Richtung Ufer begibt, sollte man sich herumschauen. Dabei werden Nackenmuskulatur und die Halswirbeln beansprucht. Denn man kommt sich vor wie Rubbernecks, wie Touristen in New York spöttisch genannt werden. 
 St. Andreas und St. Panteleimon sind noch aktive Kirchen; die St. Ilias seit einigen Jahren und die St. Nikolaus schon lange nicht mehr. Die St.-Nikolaus-Kirche ist mitsamt Gebäude sogar längst an Private verkauft. Im Dachgeschoß ist die ehemalige Kirche ein seltsames Lager und die Kuppel hat auch kein Kreuz mehr.  
Dafür hat eine junge türkische Malerin in kirchlicher Höhe ihr Atelier: Desen Halıçınarlı.  
Tipp: Sie hat Zukunft!
Desen Halıçınarlı





 
























Im Buch: Ort 007

Mittwoch, 6. Mai 2015

Cicerone Monatsprogramm: Mai

Tulpen und Judasbäume am selben Tag:

Der lange Winter 2015 hörte plötzlich auf und der Frühsommer ist schon da. Istanbul hat dieses Jahr keinen Frühling gehabt.

Cicerone hat zwei Monatsprogramme - beide mit floraler Thematik - an einem Tag organisieren müssen, da es sonst zu spät gewesen wäre: entweder für die Tulpen oder für die Judasbäume. Mai- und Juniprogramme wurden also vereint. Force majeure!

Das Juniprogramm wird noch angekündigt.

Die Tulpe:

Tulpenteppich vor der Hagia Sophia
Sie stammt aus der Türkei und nicht aus Holland. Den Osmanen war sie heilig, weil ihr türkischer Name, lâle, in arabischer Schrift ein Anagramm von Allah ist. Die Blüten sollten rot und möglichst dolchförmig sein, in der türkischen Blumensprache bedeutete das: "Deine Schönheit hat mich entflammt."
Seit dem 16. Jahrhundert finden sich Tulpenmotive auf Seidenstoffen und Fliesen, in Holz geschnitzt und auf Metall. Vom Hof Süleymans des Prächtigen (1520-1566) soll der flämische Botschafter Ogier Ghislain Busbecq Tulpenzwiebeln nach Europa gebracht haben; 1559 wurde in Augsburg die erste "Tulipa turcarum" erwähnt.
Um 1600 entdeckten Holländer die Tulpe als Spe­kulationsobjekt: Wer in die richtigen Zwie­­beln investierte, konnte reich werden. Auf dem Höhepunkt des Rausches, 1638, kostete eine Semper Augustus 13.000 Gulden - mehr als die teuersten Häuser Amsterdams.

Im Osmanischen Reich kam die Tulpe unter Ahmet III. (1703-1730) noch einmal zu Ehren. Seine Herrschaftszeit hieß Tulpen-Ära, lâle devri, weil der Blumenfan jedes Jahr auf­wän­dige Tulpenschauen inszenieren ließ. 1726 berichtete ein Gesandter von „vieltausend verspiegelten Laternen über einem Tulpenmeer, durch das sich Schildkröten mit Kerze auf dem Panzer bewegten“. Noch heute ist die Tulpe Symbol der Istanbuler Stadtverwaltung und ziert jede Ecke.

Bosporus-Universität












Der Judas-Baum und der kaiserliche Purpur:

Im Frühsommer entfaltet sich der Bosporus in seiner botanischen Pracht. Die Judasbäume blühen für eine kurze Zeit und verleihen diesem einmalig schönen Landstrich einen besonderen Farbton.

Die "Farbe" Purpur wird aus einer Schnecke gewonnen, die im Mittelmeer lebt. Die Gewinnung ist äußerst kompliziert, was den Farbstoff so wertvoll macht (ein Gramm ca. 2.500 €). Daher ist das Tragen von purpurgefärbten Gewändern ein Privileg von Kaisern, Oberrabbinern, Kardinälen.


Das Gestein Porphyr (heißt „purpurfarben“) war zur Römerzeit und dann auch unter Konstantin d.G. sehr beliebt. Aufgrund seiner purpurnen Farbe war es ausschließlich den Kaisern und ihren Bildnissen vorbehalten. Für Kaiser Konstantin gab es Porphyrkreise in den Fußböden seiner Empfangshallen, die nur er betreten durfte, seine Kinder wurden in porphyrgetäfelten Zimmern geboren.


„Porphyrogennetos“, In-Porphyr-Geborene wurde dann ein Titel byzantinischer Kaiser. Sie wurden in Porphyrsarkopha- gen beerdigt.

Die Festung Rumeli am Bosporus




Der Name Judasbaum hat die Ursprünge in der Legende, Judas Ischariot habe sich an einem solchen Baum erhängt. Nach einer Erzählung des Mittelmeerraumes sei der Baum danach vor Scham rot angelaufen. Ergänzend kann man die runden Blätter, die sich erst während der Blüte bilden, als die Silberstücke sehen, mit denen Judas für seinen Verrat bezahlt war.

Und natürlich endete der Anfangmaiabend an der Galata-Brücke mit Fisch und Rakı.

Donnerstag, 30. April 2015

Die Schule St. Benoît

Aus einem Genuesenkloster wurde eine Renommierschule der Franzosen

Lycée Français Privé Saint-Benoît heißt eine der renommiertesten frankophonen Schulen der Türkei. Sie ist auf unserer Route Richtung Karaköy auf der rechten Seite. Daß sie eine fromme Stiftung war, erkennt man spätestens am Glockenturm.





Eine der besten Bildungseinrichtungen der Türkei ist gleichzeitig eine lateinisch-katholische Institution mit uralten Wurzeln.



Offizielle Gründung der Schule ist 1783, doch geht die Geschichte eigentlich zurück auf das Jahr 1362, in die Zeit also, als Galata noch eine genuesische Kolonie war. Ursprünge sind auch nicht französisch, sondern italienisch.

Sie wurde als Kloster gegründet, und zwar von genuesischen Nonnen aus dem benediktinischen Kloster in Monte Cassino. Die Ursprünge der heutigen Anlage hieß auch Monestaro della Cisterna de Pera – Kloster der Pera-Zisterne. Einziger Zeuge des alten Klosters ist der Glockenturm im Eingangsbereich der Schule.

Ab 1427 unter die Leitung der italienischen Benediktinermönche gekommen, wird das Haus ab 1450 an französische Benedikter übergeben und heißt daher Saint-Benoît, also Kloster des Heiligen Benedikt.

Auf Verlangen des französischen Königs François I. und mit Erlaubnis des osmanischen Sultans Süleyman wurde das Kloster als Botschaftskapelle der französischen Botschaft anerkannt und somit unter diplomatischen Schutz genommen.

Auf Wunsch des französischen Königs Heinrich III. nahm Papst Gregorius XIII. das Kloster dem Benediktinerorden weg und stellte es den Jesuiten zur Verfügung. Zwei französische und zwei italienische Jesuiten haben die Leitung übernommen. 1583 wurde in der Klosteranlage unter den Jesuiten die erste Bildungstätigkeit aufgenommen.  Die Pestepidemie des Jahres 1586 brachte allen Jesuiten den Tod. Kapuzinermönche übernahmen das Kloster. Allerdings erlaubte sich der Kapuziner Joseph de Leonessa etwas, was nicht sein durfte. Er erschien vor dem Sultan Murad III. und forderte ihn auf, das Christentum anzunehmen. Alle Kapuzinermönche mussten nun das Land verlassen. Die Schultätigkeit wäre fast eingestellt gewesen, wenn nicht andere Jesuiten zur Hilfe geeilt hätten. Saint-Benoît ist inzwischen zum Zentrum der Jesuiten zur maison-mère im Osmanischen Reich geworden.

1610 bekam das Kloster ein Krankenhaus namens Saint-Louis, das bis 1825 funktionierte.  Die Schäden des Brandes von 1696 am Krankenhaus wurden mit den Mitteln der Handelskammer Marseille repariert.

1686 brannte die Kirche im Haus. Auf Initiative des französischen Botschafters Pierre de Girardin wurde die neue Kirche mit Kuppel gebaut – ein Privileg, das nur Moscheen haben durften.

Wendepunkt 1783: Jesuiten verließen Galata aufgrund der Unruhen in Frankreich. Das Kloster und alles, was dazu gehört, überließen sie siebzehn Lazaristen unter der Leitung von Pierre-François Viguier. 1783 gilt seither als Gründungsjahr des Lyzeums.

Anfangs waren es nur französische Internatsschüler. Mit einem Erlass des Sultans Mahmud II. wurden auch Schüler osmanischer Staatsangehörigkeit aufgenommen – hauptsächlich nichtmuslimische Kinder. Die Osmanen öffneten sich langsam in Richtung Europa – über die französische Sprache. Man brauchte eine gebildete Eliteschicht mit Fremdsprachenkenntnissen.

1834 schreibt der Schulleiter an die Lazaristen in Paris und beklagt sich über die Schwierigkeiten, die man in Istanbul hat: häufige Brände, das kapriziöse Verhalten und die Undankbarkeit der Levantiner,  die Pest... 

„… die neu eröffneten Unterrichtsträume Für Physik und Astronomie haben für großes Aufsehen gesorgt. Viele junge Menschen kamen zu mir, um sich einzuschreiben, da diese Fächer in Istanbul völlig neu waren...“

Die 1839 hinzugekommenen Französischen Nonnen der Filles de la Charité haben der Schule eine Mädchenabteilung zugefügt. Im 19. Jahrhundert stieg die Anzahl der einheimischen Kinder neben Levantinerkindern und Ausländer. Bei den Einheimischen handelte es sich hauptsächlich um armenisch-katholische oder bulgarisch-katholische Kinder. Das Lyzeum bekam noch eine Grundschule und eine Druckerei mit der finanziellen Hilfe des französischen Außenministeriums. Aufgrund des hohen Bildungsniveaus bekommt Saint-Benoît durch den französischen König Louis Philippe den Titel eines Collège Royal, einer königlichen Schule, verliehen. So wurde das Diplom in Frankreich als gleichwertig anerkannt.

Mit einer Apotheke und einer Dispensaire ausgestattet, war Saint-Benoît auch Pionier in wissenschaftlich-meteorologischen Messungen und Aufzeichnungen im Osmanischen Reich.

Während des Krim-Krieges haben sich die Nonnen von Saint-Benoît in Militärkrankenhäusern verdient gemacht. Als Dank dafür hat der damalige türkische Marineminister großzügige materielle Hilfe geleistet. So stieg das Ansehen der Schule auch innerhalb des osmanischen Staatsapparats. 1855 wurden insgesamt drei muslimische Schüler eingeschrieben, einer davon war der Sohn des Hofarztes.

1869 besuchte die französische Königin Eugénie die Schule während ihres offiziellen Besuches in Istanbul. Im türkisch-russischen Krieg und in den Tragödien der Folgejahre haben die Schule und das Schulpersonal wieder einmal humanitäre Hilfe geleistet.


Das Schulgebäude wurde in den Jahren 1875 bis 1880 völlig neu aufgebaut so wie wir es heute vor uns haben. Der Architekt ist Alphonse Cingria, ein Absolvent der Saint-Benoît, der in Paris Architektur studiert hatte.

Im Ersten Weltkrieg standen Frankreich und das osmanische Reich in Gegenlagern. Französisches Personal wurde des Landes verwiesen. Aus der Schule wurde ein Lazarett. Die Kirche im Komplex wurde den befreundeten österreichischen Geistlichen übergeben. Daher ist sie bis heute gut erhalten. In der Kirche befindet sich unter anderem das Grab des ungarischen Nationalhelden Rákóczi Ferenc II.

1919 nahm die Schule wieder den Betrieb auf. Heute hat Saint-Benoît wie die anderen ausländischen Privatschulen in der Türkei einen Sonderstatus. Die naturwissenschaftlichen Fächer werden in Französisch, die anderen in Türkisch unterrichtet. Auch die Schulleitung ist binational.




Wenn Sie mal hier Schülern oder Schülerinnen begegnen, sprechen Sie sie einfach an. Sie könnten Ihre Französischkenntnisse auffrischen.                                      

Mittwoch, 29. April 2015

Cicerone Monatsprogramm: April

Der Tag des Drachentöters

Heiliger Georg auf Büyükada

Einer der häufigsten männlichen Vornamen im christlichen Abendland ist Georg, George, Giorgio oder wie die Türken den Griechen nachahmend sagen: Yorgo. Wer kennt ihn nicht?

Georg ist ein Heiliger in der katholischen Kirche. In der orthodoxen ist er mehr: ein Märtyrer. Gelebt hat er wohl im 3. Jahrhundert und möglicherweise ist er ein Zeitgenosse des christenfeindlichen Kaisers Diokletian, der für viele Massaker verantwortlich ist. Gestorben ist er nach der Überlieferung am 23. April 303.

Wahrscheinlich stammte dieser Verfechter des Christentums aus Kappadokien. Dort sieht man fast in jeder Kirche ein Bildnis von ihm. Aber im ganzen Vorderen Orient ist er hoch verehrt. Ja, es gibt sogar ein Land, das nach ihm benannt wird: Georgien!

Er wird sehr oft als Reiter mit einer Lanze in der Hand dargestellt - unter den Hufen des Pferdes liegt ein Drache, und seine Lanze richtet sich gegen das Ungeheuer: Georg, der Drachentöter! Die Drachenlegende ist wie in vielen Rittermärchen: Er rettet eine Königstochter (natürlich Jungfrau) vor einer Bestie (Drache). Unser Held tötet das Ungeheuer. Die Jungfrau war ein Opfer, das der Drache von der Bevölkerung forderte. Nach dem Erschlagen des Drachen ist das Land vom Bösen befreit und viele Menschen lassen sich christlich taufen.

Das Ungeheuer versinnbildlicht den Feind des Christentums: den römischen Staatskult!

Wahrscheinlich war Georg ein römischer Offizier, der Christ wurde, gegen die römische Staatsmacht kämpfte und die Christen beschützte. Er wurde geköpft.

Georg zählt zu den vierzehn Nothelfern und hilft vor allem bei Kriegsgefahren, Fieber, Pest und anderem. Er hilft gegen  Versuchung und für gutes Wetter. Er ist Beschützer der Haustiere.

Das bekannteste Georgskreuz sieht man auf der Flagge Englands.

Jedes Jahr ist der 23. April Gedenktag des Hl. Georg. Ob in der Mönchsrepublik Athos, ob auf der großen Insel Prinkipo (Büyükada), in allen Georgskirchen wird des Tages gedacht, wobei sich religiöse Riten mit den volkstümlichen Mythen sich vermengen.

Auf dem 202 Meter hohen Hügel der Insel befindet sich das Kloster des Hl. Georg - Aya Yorgi.

Und jedes Jahr kommen Menschen aller Glaubensrichtungen hierher, um nach einem "Tempelgang" sich etwas zu wünschen: Ehe, gute Noten in der Schule, Kinder, Auto oder Geld...









Unterschiedlich gefärbte Kerzen sind dafür da, dass der Heilige auf einen Blick erkennen kann, was da gewünscht wird. Bäume dienen wie immer als Träger von Wunschsymbolen wie Stoff-Fetzen. Eine Besonderheit aber ist das Anbringen von Nähgarn am Gebüsch am Wegrand.

Die Griechen feiern dann in der Kirche ihren Georgstag und die anderen laufen singend zurück zu der Schiffsanlegestelle. Denn es ist meistens regnerisch in Istanbul am 23. April. Das weiß jeder schon als kleines Kind. Es ist auch der Gründungstag des Gegen-Parlamentes in Ankara 1920, das den Befreiungskampf gegen die Besatzer legitimieren wird. Dieser Tag ist den Kindern gewidmet und wird als Kinderfest gefeiert. Die Pennäler nehmen an Straßenzügen und Paraden teil und werden oft nass. 

Hinterher wird man krank und hat keine Schule. Hurra!