Aus einem Genuesenkloster wurde eine Renommierschule der Franzosen
Lycée Français Privé Saint-Benoît heißt eine der renommiertesten frankophonen Schulen der Türkei. Sie ist auf unserer Route Richtung Karaköy auf der rechten Seite. Daß sie eine fromme Stiftung war, erkennt man spätestens am Glockenturm.
Eine der besten Bildungseinrichtungen der
Türkei ist gleichzeitig eine lateinisch-katholische Institution mit uralten
Wurzeln.
Offizielle Gründung der Schule ist 1783, doch
geht die Geschichte eigentlich zurück auf das Jahr 1362, in die Zeit also, als
Galata noch eine genuesische Kolonie war. Ursprünge sind auch nicht
französisch, sondern italienisch.
Sie wurde als Kloster gegründet, und zwar von
genuesischen Nonnen aus dem benediktinischen Kloster in Monte Cassino. Die
Ursprünge der heutigen Anlage hieß auch Monestaro della Cisterna de Pera –
Kloster der Pera-Zisterne. Einziger Zeuge des alten Klosters ist der
Glockenturm im Eingangsbereich der Schule.
Ab 1427 unter die Leitung der italienischen
Benediktinermönche gekommen, wird das Haus ab 1450 an französische Benedikter
übergeben und heißt daher Saint-Benoît, also Kloster des Heiligen Benedikt.
Auf Verlangen des französischen Königs François
I. und mit Erlaubnis des osmanischen
Sultans Süleyman wurde das Kloster als Botschaftskapelle der französischen
Botschaft anerkannt und somit unter diplomatischen Schutz genommen.
Auf Wunsch des französischen Königs Heinrich III.
nahm Papst Gregorius XIII. das Kloster dem Benediktinerorden weg und stellte es den Jesuiten zur Verfügung. Zwei
französische und zwei italienische Jesuiten haben die Leitung übernommen. 1583
wurde in der Klosteranlage unter den Jesuiten die erste Bildungstätigkeit
aufgenommen. Die Pestepidemie des Jahres
1586 brachte allen Jesuiten den Tod. Kapuzinermönche übernahmen das Kloster.
Allerdings erlaubte sich der Kapuziner Joseph de Leonessa etwas, was nicht sein
durfte. Er erschien vor dem Sultan Murad III. und forderte ihn auf, das
Christentum anzunehmen. Alle Kapuzinermönche mussten nun das Land verlassen.
Die Schultätigkeit wäre fast eingestellt gewesen, wenn nicht andere Jesuiten
zur Hilfe geeilt hätten. Saint-Benoît ist inzwischen zum Zentrum der Jesuiten zur maison-mère im Osmanischen Reich geworden.
1610 bekam das Kloster ein Krankenhaus namens
Saint-Louis, das bis 1825 funktionierte.
Die Schäden des Brandes von 1696 am Krankenhaus wurden mit den Mitteln
der Handelskammer Marseille repariert.
1686 brannte die Kirche im Haus. Auf
Initiative des französischen Botschafters Pierre de Girardin wurde die neue
Kirche mit Kuppel gebaut – ein Privileg, das nur Moscheen haben durften.
Wendepunkt 1783: Jesuiten verließen Galata
aufgrund der Unruhen in Frankreich. Das Kloster und alles, was dazu gehört,
überließen sie siebzehn Lazaristen unter der Leitung von Pierre-François
Viguier. 1783 gilt seither als Gründungsjahr des Lyzeums.
Anfangs waren es nur französische
Internatsschüler. Mit einem Erlass des Sultans Mahmud II. wurden
auch Schüler osmanischer Staatsangehörigkeit aufgenommen – hauptsächlich nichtmuslimische
Kinder. Die Osmanen öffneten sich langsam in Richtung Europa – über die
französische Sprache. Man brauchte eine gebildete Eliteschicht mit Fremdsprachenkenntnissen.
1834 schreibt der Schulleiter an die
Lazaristen in Paris und beklagt sich über die Schwierigkeiten, die man in
Istanbul hat: häufige Brände, das kapriziöse Verhalten und die Undankbarkeit
der Levantiner, die Pest...
„… die neu eröffneten Unterrichtsträume Für Physik und Astronomie haben für großes Aufsehen gesorgt. Viele junge Menschen kamen zu mir, um sich einzuschreiben, da diese Fächer in Istanbul völlig neu waren...“
„… die neu eröffneten Unterrichtsträume Für Physik und Astronomie haben für großes Aufsehen gesorgt. Viele junge Menschen kamen zu mir, um sich einzuschreiben, da diese Fächer in Istanbul völlig neu waren...“
Die 1839 hinzugekommenen Französischen Nonnen der
Filles de la Charité haben der Schule
eine Mädchenabteilung zugefügt. Im 19. Jahrhundert stieg die Anzahl der
einheimischen Kinder neben Levantinerkindern und Ausländer. Bei den
Einheimischen handelte es sich hauptsächlich um armenisch-katholische oder
bulgarisch-katholische Kinder. Das Lyzeum bekam noch eine Grundschule und eine
Druckerei mit der finanziellen Hilfe des französischen Außenministeriums.
Aufgrund des hohen Bildungsniveaus bekommt Saint-Benoît durch den französischen
König Louis Philippe den Titel eines Collège Royal, einer königlichen Schule, verliehen. So wurde das Diplom in Frankreich als gleichwertig anerkannt.
Mit einer Apotheke und einer Dispensaire
ausgestattet, war Saint-Benoît auch Pionier in
wissenschaftlich-meteorologischen Messungen und Aufzeichnungen im Osmanischen
Reich.
Während des Krim-Krieges haben sich die Nonnen
von Saint-Benoît in Militärkrankenhäusern verdient gemacht. Als Dank dafür hat
der damalige türkische Marineminister großzügige materielle Hilfe geleistet. So
stieg das Ansehen der Schule auch innerhalb des osmanischen Staatsapparats.
1855 wurden insgesamt drei muslimische Schüler eingeschrieben, einer davon war der Sohn des
Hofarztes.
1869 besuchte die französische Königin Eugénie
die Schule während ihres offiziellen Besuches in Istanbul. Im türkisch-russischen
Krieg und in den Tragödien der Folgejahre haben die Schule und das
Schulpersonal wieder einmal humanitäre Hilfe geleistet.
Das Schulgebäude wurde in den Jahren 1875 bis
1880 völlig neu aufgebaut so wie wir es heute vor uns haben. Der Architekt ist
Alphonse Cingria, ein Absolvent der Saint-Benoît, der in Paris Architektur
studiert hatte.
Im Ersten Weltkrieg standen Frankreich und das
osmanische Reich in Gegenlagern. Französisches Personal wurde des Landes
verwiesen. Aus der Schule wurde ein Lazarett. Die Kirche im Komplex wurde den
befreundeten österreichischen Geistlichen übergeben. Daher ist sie bis heute gut
erhalten. In der Kirche befindet sich unter anderem das Grab des ungarischen
Nationalhelden Rákóczi Ferenc II.
1919 nahm die Schule wieder den Betrieb auf.
Heute hat Saint-Benoît wie die anderen ausländischen Privatschulen in der
Türkei einen Sonderstatus. Die naturwissenschaftlichen Fächer werden in
Französisch, die anderen in Türkisch unterrichtet. Auch die Schulleitung ist binational.
Wenn Sie mal hier Schülern oder Schülerinnen
begegnen, sprechen Sie sie einfach an. Sie könnten Ihre Französischkenntnisse
auffrischen.
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