Donnerstag, 30. April 2015

Die Schule St. Benoît

Aus einem Genuesenkloster wurde eine Renommierschule der Franzosen

Lycée Français Privé Saint-Benoît heißt eine der renommiertesten frankophonen Schulen der Türkei. Sie ist auf unserer Route Richtung Karaköy auf der rechten Seite. Daß sie eine fromme Stiftung war, erkennt man spätestens am Glockenturm.





Eine der besten Bildungseinrichtungen der Türkei ist gleichzeitig eine lateinisch-katholische Institution mit uralten Wurzeln.



Offizielle Gründung der Schule ist 1783, doch geht die Geschichte eigentlich zurück auf das Jahr 1362, in die Zeit also, als Galata noch eine genuesische Kolonie war. Ursprünge sind auch nicht französisch, sondern italienisch.

Sie wurde als Kloster gegründet, und zwar von genuesischen Nonnen aus dem benediktinischen Kloster in Monte Cassino. Die Ursprünge der heutigen Anlage hieß auch Monestaro della Cisterna de Pera – Kloster der Pera-Zisterne. Einziger Zeuge des alten Klosters ist der Glockenturm im Eingangsbereich der Schule.

Ab 1427 unter die Leitung der italienischen Benediktinermönche gekommen, wird das Haus ab 1450 an französische Benedikter übergeben und heißt daher Saint-Benoît, also Kloster des Heiligen Benedikt.

Auf Verlangen des französischen Königs François I. und mit Erlaubnis des osmanischen Sultans Süleyman wurde das Kloster als Botschaftskapelle der französischen Botschaft anerkannt und somit unter diplomatischen Schutz genommen.

Auf Wunsch des französischen Königs Heinrich III. nahm Papst Gregorius XIII. das Kloster dem Benediktinerorden weg und stellte es den Jesuiten zur Verfügung. Zwei französische und zwei italienische Jesuiten haben die Leitung übernommen. 1583 wurde in der Klosteranlage unter den Jesuiten die erste Bildungstätigkeit aufgenommen.  Die Pestepidemie des Jahres 1586 brachte allen Jesuiten den Tod. Kapuzinermönche übernahmen das Kloster. Allerdings erlaubte sich der Kapuziner Joseph de Leonessa etwas, was nicht sein durfte. Er erschien vor dem Sultan Murad III. und forderte ihn auf, das Christentum anzunehmen. Alle Kapuzinermönche mussten nun das Land verlassen. Die Schultätigkeit wäre fast eingestellt gewesen, wenn nicht andere Jesuiten zur Hilfe geeilt hätten. Saint-Benoît ist inzwischen zum Zentrum der Jesuiten zur maison-mère im Osmanischen Reich geworden.

1610 bekam das Kloster ein Krankenhaus namens Saint-Louis, das bis 1825 funktionierte.  Die Schäden des Brandes von 1696 am Krankenhaus wurden mit den Mitteln der Handelskammer Marseille repariert.

1686 brannte die Kirche im Haus. Auf Initiative des französischen Botschafters Pierre de Girardin wurde die neue Kirche mit Kuppel gebaut – ein Privileg, das nur Moscheen haben durften.

Wendepunkt 1783: Jesuiten verließen Galata aufgrund der Unruhen in Frankreich. Das Kloster und alles, was dazu gehört, überließen sie siebzehn Lazaristen unter der Leitung von Pierre-François Viguier. 1783 gilt seither als Gründungsjahr des Lyzeums.

Anfangs waren es nur französische Internatsschüler. Mit einem Erlass des Sultans Mahmud II. wurden auch Schüler osmanischer Staatsangehörigkeit aufgenommen – hauptsächlich nichtmuslimische Kinder. Die Osmanen öffneten sich langsam in Richtung Europa – über die französische Sprache. Man brauchte eine gebildete Eliteschicht mit Fremdsprachenkenntnissen.

1834 schreibt der Schulleiter an die Lazaristen in Paris und beklagt sich über die Schwierigkeiten, die man in Istanbul hat: häufige Brände, das kapriziöse Verhalten und die Undankbarkeit der Levantiner,  die Pest... 

„… die neu eröffneten Unterrichtsträume Für Physik und Astronomie haben für großes Aufsehen gesorgt. Viele junge Menschen kamen zu mir, um sich einzuschreiben, da diese Fächer in Istanbul völlig neu waren...“

Die 1839 hinzugekommenen Französischen Nonnen der Filles de la Charité haben der Schule eine Mädchenabteilung zugefügt. Im 19. Jahrhundert stieg die Anzahl der einheimischen Kinder neben Levantinerkindern und Ausländer. Bei den Einheimischen handelte es sich hauptsächlich um armenisch-katholische oder bulgarisch-katholische Kinder. Das Lyzeum bekam noch eine Grundschule und eine Druckerei mit der finanziellen Hilfe des französischen Außenministeriums. Aufgrund des hohen Bildungsniveaus bekommt Saint-Benoît durch den französischen König Louis Philippe den Titel eines Collège Royal, einer königlichen Schule, verliehen. So wurde das Diplom in Frankreich als gleichwertig anerkannt.

Mit einer Apotheke und einer Dispensaire ausgestattet, war Saint-Benoît auch Pionier in wissenschaftlich-meteorologischen Messungen und Aufzeichnungen im Osmanischen Reich.

Während des Krim-Krieges haben sich die Nonnen von Saint-Benoît in Militärkrankenhäusern verdient gemacht. Als Dank dafür hat der damalige türkische Marineminister großzügige materielle Hilfe geleistet. So stieg das Ansehen der Schule auch innerhalb des osmanischen Staatsapparats. 1855 wurden insgesamt drei muslimische Schüler eingeschrieben, einer davon war der Sohn des Hofarztes.

1869 besuchte die französische Königin Eugénie die Schule während ihres offiziellen Besuches in Istanbul. Im türkisch-russischen Krieg und in den Tragödien der Folgejahre haben die Schule und das Schulpersonal wieder einmal humanitäre Hilfe geleistet.


Das Schulgebäude wurde in den Jahren 1875 bis 1880 völlig neu aufgebaut so wie wir es heute vor uns haben. Der Architekt ist Alphonse Cingria, ein Absolvent der Saint-Benoît, der in Paris Architektur studiert hatte.

Im Ersten Weltkrieg standen Frankreich und das osmanische Reich in Gegenlagern. Französisches Personal wurde des Landes verwiesen. Aus der Schule wurde ein Lazarett. Die Kirche im Komplex wurde den befreundeten österreichischen Geistlichen übergeben. Daher ist sie bis heute gut erhalten. In der Kirche befindet sich unter anderem das Grab des ungarischen Nationalhelden Rákóczi Ferenc II.

1919 nahm die Schule wieder den Betrieb auf. Heute hat Saint-Benoît wie die anderen ausländischen Privatschulen in der Türkei einen Sonderstatus. Die naturwissenschaftlichen Fächer werden in Französisch, die anderen in Türkisch unterrichtet. Auch die Schulleitung ist binational.




Wenn Sie mal hier Schülern oder Schülerinnen begegnen, sprechen Sie sie einfach an. Sie könnten Ihre Französischkenntnisse auffrischen.                                      

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