Donnerstag, 26. März 2015

Cicerone Monatsprogramm: März

Die Bosporus-Paläste

Osmanischer Barock auf Meereshöhe


Wer den Topkapı-Palast und die Süleymaniye-Moschee mit aufmerksamen Augen gesehen hat, wird die majestätische Schlichtheit bewundert haben. Wer aber dann die Rüstempaşa und die "Blaue" Moschee gesehen hat, wird einen Sinneswandel, sagen wir Modewechsel, feststellen: außen pfui, innen hui - was Dekor angeht.

In der Architektur gibt es solche Epochen, auch bei den Türken.

Nach der Eroberung von Konstantinopel im Jahre 1453 hatten es die Türken nicht leicht. Sie brauchten Paläste - mindestens genauso schön wie die der Byzantiner. Sie brauchten ihre eigenen Gotteshäuser - mindestens genauso schön wie die der Byzantiner.

Der Topkapı-Palast entstand nicht von heute auf morgen. Auf dem Gelände des Trümmerhaufens des einstigen Bzyantion baute man nach und nach, ohne stilistisches Konzept, eklektisch, je nach Bedarf die Residenz für die nächsten 400 Jahre. Hier wohnten die namhaftesten Sultane und ihre Familien. Ein Komplex eben - ohne Konzept, recht türkisch. Der Haremsbereich erreichte im Laufe des 17. Jahrhunderts die heutigen Ausmaße und die Ausstattung.

Alle Prestigebauten waren vorher sowohl nach außen als auch nach innen schlicht. Ich meine hier die Ausschmückung. Eine majestätische Ausstrahlung haben diese Werke nach außen allemal, aber keinen Fassadenschmuck. Die Mode oder der Sinneswandel des ausgehenden 16. Jahrhunderts schrieb vor: nach außen schlicht, nach innen üppig. Wenn man nicht reingeht, sieht man es auch nicht, wie schön es drinnen ist. Also, rein in diese Moscheen!

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts bemüht sich das Osmanische Reich krampfhaft um Modernisierung. Versuche einer konstitutionellen Monarchie, Parlamentarisierung etc. Da muss man sich auch stilistisch erneuern. 

Der Topkapı-Palast ist den Osmanen mittlerweile viel zu altmodisch, nomadenhaft, zelthaft. Man hat nun mehr Kontakt zu den Europäern. Man weiß mittlerweile, wie die Herrscherpaläste dort aussehen. Nachahmung beginnt. Nachahmung, ohne dass man seine Eigenheit verlieren will. Das Ergebnis ist osmanischer Barock.

Für den einen oder anderen ist das Kitsch.

Drei Paläste und ein Jagdschlössschen an den Ufern des unteren Bosporus hat diesmal Cicerone mit seinen Gästen besucht. Der Tag war sonnig aber kalt.
























Der Dolmabahçe-Palast ist natürlich der Höhepunkt des Programmes. Der Palastbau hat soviel Geld gekostet, dass zum Schluss der Osmane aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit ein Moratorium erklären musste und von Großmächten als "der kranke Mann am Bosporus" verspottet wurde. Hier starb aber nicht nur der kranke Mann am Bosporus, sondern auch der kranke Mustafa Kemal Atatürk, der Gründer der "gesunden" Republik Türkei, die wieder kränkelt.

Die beiden anderen Paläste sind der Beylerbeyi-Palast auf der asiatischen Seite, schräg gegenüber von Dolmabahçe und der Çırağan-Palast etwas weiter nördlich, heute Hotel Kempinski. Das Jagdschlösschen liegt auch am Ostufer des Bosporus, in Küçüksu.

Diese Werke haben noch eines gemeinsam: Sie sind alle gebaut von der armenischen Architektenfamilie Balyan!

Über die einzelnen Bauten, deren Schicksale und deren Interieur werde ich demnächst in diesem Blog unter "Bosporus" schreiben.





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