Donnerstag, 14. Mai 2015

Russische Kirchen in Karaköy


Der Russe auf dem Dach!

Heute wird "der Russe" als Tourist in der Türkei zweierlei wahrgenommen. Entweder sind es kleine Geschäftsleute, die in Istanbul vor allem im Stadtteil Laleli hauptsächlich Klamotten minderer Qualität einkaufen, um sie zu Hause zu verkaufen. Oder es handelt sich um laute Touristen in den Urlaubsfabriken von Antalya, die sich am Buffet nicht zu benehmen wissen. Beides Klischees natürlich.
Gehen wir in unseren Gedanken einige Jahrhunderte zurück. Das Ökumenische Patriarchat von Phanar (Fener) am Goldenen Horn ist Zentrum des orthodoxen Christentums. Angehörige anderer orthodoxen Kirchen (Russen, Bulgaren, Ägypter, Palästinenser, ...) reisten nach oder durch Konstantinopel, z.B. unterwegs nach Jerusalem oder nach Berg Athos (Türkisch: Aynaroz); es gab kirchliche Treffen usw. Also hatten all die Orthodoxen der alten Welt hier ihre Vertretungen mit eigener Kirche und Herbergen, die so genannten Metohien (Metohion, heisst etwa Tochterhaus).
Während fast alle anderen ihre "Tochterhäuser" am Goldenen Horn - Nähe Ökumenisches Patriarchat - hatten, blieb wohl den Russen der Galata-Hafen übrig. Aber alle haben Ufernähe vorgezogen, da die Schifffahrt die schnellste und die sicherste Art des Reisens war, die man am ehesten bevorzugt hatte.
Russische Pilgerer oder Kirchenvertreter wohnten in den Herbergen hier in Karaköy. Sie bauten auf dem jeweiligen Dachgeschoss ihre Kirchen. Vier solche Dachkirchen gibt es hier. 
Wenn man von der Schule St. Benoît aus auf die andere Straßenseite geht und sich einfach durch eine der engen Gassen Richtung Ufer begibt, sollte man sich herumschauen. Dabei werden Nackenmuskulatur und die Halswirbeln beansprucht. Denn man kommt sich vor wie Rubbernecks, wie Touristen in New York spöttisch genannt werden. 
 St. Andreas und St. Panteleimon sind noch aktive Kirchen; die St. Ilias seit einigen Jahren und die St. Nikolaus schon lange nicht mehr. Die St.-Nikolaus-Kirche ist mitsamt Gebäude sogar längst an Private verkauft. Im Dachgeschoß ist die ehemalige Kirche ein seltsames Lager und die Kuppel hat auch kein Kreuz mehr.  
Dafür hat eine junge türkische Malerin in kirchlicher Höhe ihr Atelier: Desen Halıçınarlı.  
Tipp: Sie hat Zukunft!
Desen Halıçınarlı





 
























Im Buch: Ort 007

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