Tulpen und Judasbäume am selben Tag:
Der lange Winter 2015 hörte plötzlich auf und der Frühsommer ist schon da. Istanbul hat dieses Jahr keinen Frühling gehabt.
Cicerone hat zwei Monatsprogramme - beide mit floraler Thematik - an einem Tag organisieren müssen, da es sonst zu spät gewesen wäre: entweder für die Tulpen oder für die Judasbäume. Mai- und Juniprogramme wurden also vereint. Force majeure!
Das Juniprogramm wird noch angekündigt.
Die Tulpe:
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Tulpenteppich vor der Hagia Sophia |
Sie stammt aus der Türkei und nicht aus Holland. Den
Osmanen war sie heilig, weil ihr türkischer Name, lâle, in arabischer Schrift
ein Anagramm von Allah ist. Die Blüten sollten rot und möglichst dolchförmig
sein, in der türkischen Blumensprache bedeutete das: "Deine Schönheit hat mich
entflammt."
Seit dem 16. Jahrhundert finden sich Tulpenmotive auf Seidenstoffen und Fliesen, in Holz geschnitzt und auf Metall. Vom Hof Süleymans des Prächtigen (1520-1566) soll der flämische Botschafter Ogier Ghislain Busbecq Tulpenzwiebeln nach Europa gebracht haben; 1559 wurde in Augsburg die erste "Tulipa turcarum" erwähnt.
Um 1600 entdeckten Holländer die Tulpe als Spekulationsobjekt:
Wer in die richtigen Zwiebeln investierte, konnte reich werden. Auf dem
Höhepunkt des Rausches, 1638, kostete eine Semper Augustus 13.000 Gulden - mehr
als die teuersten Häuser Amsterdams.
Im Osmanischen Reich kam die Tulpe unter Ahmet III.
(1703-1730) noch einmal zu Ehren. Seine Herrschaftszeit hieß Tulpen-Ära, lâle
devri, weil der Blumenfan jedes Jahr aufwändige Tulpenschauen inszenieren
ließ. 1726 berichtete ein Gesandter von „vieltausend verspiegelten Laternen
über einem Tulpenmeer, durch das sich Schildkröten mit Kerze auf dem Panzer
bewegten“. Noch heute ist die Tulpe Symbol der Istanbuler Stadtverwaltung und
ziert jede Ecke.
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Bosporus-Universität
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Der Judas-Baum und der kaiserliche Purpur:
Im Frühsommer entfaltet sich der Bosporus in seiner botanischen Pracht. Die Judasbäume blühen für eine kurze Zeit und verleihen diesem einmalig schönen Landstrich einen besonderen
Farbton.
Die "Farbe" Purpur wird aus einer Schnecke gewonnen, die im Mittelmeer lebt. Die Gewinnung
ist äußerst kompliziert, was den Farbstoff so
wertvoll macht (ein Gramm ca. 2.500 €). Daher
ist das Tragen von purpurgefärbten Gewändern
ein Privileg von Kaisern, Oberrabbinern, Kardinälen.
Das Gestein Porphyr (heißt
„purpurfarben“) war zur Römerzeit und dann auch unter Konstantin d.G. sehr beliebt. Aufgrund seiner
purpurnen Farbe war es ausschließlich den Kaisern und ihren Bildnissen vorbehalten. Für Kaiser
Konstantin gab es Porphyrkreise in den Fußböden
seiner Empfangshallen, die nur er betreten durfte, seine Kinder wurden in porphyrgetäfelten Zimmern geboren.
„Porphyrogennetos“, In-Porphyr-Geborene wurde dann ein Titel byzantinischer Kaiser. Sie wurden in Porphyrsarkopha-
gen beerdigt.
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Die Festung Rumeli am Bosporus
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Der Name Judasbaum hat die Ursprünge in der Legende, Judas Ischariot habe sich an einem solchen Baum erhängt. Nach einer Erzählung des Mittelmeerraumes sei der Baum danach vor Scham rot angelaufen. Ergänzend kann man die runden Blätter, die sich erst während der Blüte bilden, als die Silberstücke sehen, mit denen Judas für seinen Verrat bezahlt war.
Und natürlich endete der Anfangmaiabend an der Galata-Brücke mit Fisch und Rakı.